Willburger, Wilburger, Wildburger
Drei Namen – eine Sippe, oder besser gesagt ein Familienname in drei Schreibweisen.
Die Schreibweisen von Namen ändern sich fast immer im Laufe der Jahrhunderte, sei es durch Schreibfehler oder durch die allgemeine Sprachentwicklung. Ende des 19. Jahrhunderts wird der Bezirksrichter Anton von Wilburger in öffentlichen Bekantmachungen mit allen 3 Schreibweisen geschrieben.
Woher kommt aber ein Name? Um solche Fragen kümmert sich auch die Wissenschaft; die „Onamastik" (von griechisch „onoma“ – „Name“) ist ein Teilbereich der Sprachwissenschaften
Die Namenkunde ergründet die Bedeutung eines Wortes. Bei vielen Wörtern hat sich die Bedeutung im Laufe der Zeit verändert, teilweise kommen sie ursprünglich auch aus einer anderen Sprache. Flur- bzw. Ortsnamen im süddeutschen Bereich wurden manchmal von den Römern übernommen oder stammen gar noch aus der keltischen Sprache. In unserem Fall haben wir es auf den ersten Blick mit Wortteilen aus dem Altdeutschen zu tun.
Das Wort Willburger besteht aus 2 Teilen, wie auch die meisten altgermanischen Rufnamen.
Beim ersten Wortteil sind mehrere Grundwörter möglich zum einen „willa", althochdeutsch: der Wille; die Entschlossenheit oder „wild" wie der Name sagt ungestüm oder in der Wildnis wohnend. Der zweite Teil „burg" heißt althochdeutsch Schutz oder Zuflucht.
Unser Familienname deckt sich inhaltlich mit dem alten Frauennamen Williburga, der im 13./14. Jahrhundert in Hochadelskreisen gebräuchlich war (z.B. Williburga Gräfin von Sigmaringen). In männlichen Rufnamen haben wir eine Wortverwandschaft zu Wilhelm (helm=beschützen) und Willibold.
Man könnte unseren Familiennamen also durchaus von einer Frau Namens „Williburga" ableiten, was jedoch ungewöhnlich wäre.
Ursprünglich gab es in unserem Sprachraum nur den Rufnamen, aber zwei gegensätzliche Bewegungen führten zur Entwicklung von Beinamen bzw. Familiennamen.
Zum einen kamen gewisse Rufnamen in Mode, was zu einer Verringerung der Namensvielfalt führte, und zum anderen lebten in den Städten mehr Personen auf engerem Raum zusammen. Die Menschen bekamen Beinamen, um sie von anderen zu unterscheiden, beispielsweise der bucklige Friedrich oder Friedrich der Müller.
Der Beinamen war nur an diese Person gebunden; eine Person konnte aber mehrere Beinamen haben; der bucklige Friedrich konnte auch Friedrich der Müller heißen und ein und dieselbe Person sein, er konnte aber trotz allem von dem langen Friedrich unterschieden werden.
Um jedoch Besitzrechte und Erbansprüche auch nach längerer Zeit zu klären, reichte dies nicht aus.
Der Beiname musste weitere Funktionen erfüllen. Er musste amtlich verbindlich sein, lebenslang bestehen und er musste vererbt werden können.
Aus dem Beinamen wurde jetzt ein Familienname. Friedrich Müller konnte jetzt von Beruf auch Wirt sein. Dieser Wechsel der Namensgebung begann im deutschen Sprachraum ab dem 11. Jahrhundert, vor allem in Adelskreisen, eben um Erbansprüche zu festigen. Von Südwestdeutschland verbreitete sich der Familienname im 13./14. Jahrhundert bis in den Nordosten. Auf dem Land gab es noch bis ins 18. Jahrhundert teilweise keine Familiennamen. In Friesland kam es erst im 19. Jahrhundert zu einer gesetzlichen Regelung.
Im Adel war es im 14./15. Jahrhundert noch üblich, dass mit dem Wechsel der Wohnstätte (Burg) auch der Beiname, welcher oft die Ortsangabe des Hauptwohnsitzes war, wechselt. Im ländlichen Raum war in einigen Gebieten bis ins 19. Jahrhundert der Beiname vom Hof abhängig; d.h. erwarb ein neuer Besitzer einen Hof, erhielt er den Namen des Hofes als Beinamen. In Oberschwaben kennen wir dies in ähnlicher Form. Der Hofname, meistens vom Hofheiligen abgeleitet, gibt den Bewohnern in der Umgangssprache einen Beinamen, jedoch zusätzlich zum amtlichen Familiennamen.
Die Namenskunde teilt die Familiennamen in mehrere Kategorien ein.
Die erste Kategorie sind Namen die sich vom Rufnamen des Vaters oder der Mutter ableiten. In unserem Kulturkreis kommt fast nur der Vater als Namensgeber in Frage, man spricht dann von einem patronymischen Namen. In Norddeutschland und vor allem in Skandinavien war dieses System lange sehr verbreitet, in Island ist es bis heute gebräuchlich und gültig; Dänemark hat es 2006 wieder rechtlich erlaubt.
Ein Beispiel dafür ist Hanns Peterson oder Petersen, bzw. Hanna Petersdottir (Tochter des Peter). Die Endung -son oder -sen hat sich teilweise zu einem einfachen -s (Peters) zurückgebildet. In Süddeutschland verschwindet teilweise auch diese Erweiterung (Hans Peter).
Die nächste Kategorie sind die Herkunftsnamen. Hiermit sind Familiennamen gemeint, die sich auf einen Herkunftsort beziehen. Der Ortsname wird in der Fremde als Beiname genommen d.h. Bernhard aus Kempten oder Bernhard der Kempter; auch größere Gebiete als Herkunft sind möglich z.b. Hans Sachs(en).
Von den Herkunftsnamen unterscheiden sich die Wohnstättennamen durch den Wohnort innerhalb des Dorfes z.B. heißt derjenige der am Anger wohnt Angerer.
Dann gibt es noch die sogenannten "Übernamen". Hier führt das Aussehen oder ein bestimmter Charakterzug einer Person zu einem Beinamen wie Groß, Schwarz, Glück, Kühn oder Wild.
Am häufigsten haben sich jedoch Berufe als namensgebend ergeben; auch heute noch sind Müller, Schmied, Schneider, Fischer bei uns die gebräuchlichsten Namen.
Bei unseren Familiennamen dürfte es sich um einen Herkunftsnamen handeln. Als Herkunftsorte kommen mehrere Schreibweisen in Frage: Wilburg, Wildburg, Wildenburg, Wildberg.
Mehrere dieser Nennungen im 13./14. Jahrhundert von Burgen oder Personen, die sich nach den Burgen nannten, liegen im Einzugsbereich von Koblenz bzw. Mainz bzw. im fränkischen-thüringischen Raum. Diese hat der bereits verstorbene Otto L. Willburger von Niederolm schon teilweise erkundet.
Auch etwas näher gibt es Adelsfamilen bzw. Adelssitze, deren Namen an den unseren erinnern. Die Freiherren von Wildenberg bei Chur, der Züricher Ritter Jakob Brun "genannt von Wilburg" oder die "Wilburg" in Wilburgstetten bei Dinkelsbühl. Die Ortschaft kommt in den Urkunden auch in den Schreibweisen "Willburgstetten" und "Wildburgstetten" vor.
Wildenburg gibt es einmal im Kanton Zug, Gemeindegebiet Baar und einmal im Kanton Sankt Gallen bei der Gemeinde Wildhaus. In der Gemeinde Jonschwil im Kanton Sankt Gallen gab es im Mittelalter noch eine Burg "Wildberg", deren Bewohner sich nach dieser Burg "de Wiltperc" nannten.
Wildberg als Ortschaftsname gibt es mehrere; auch in der näheren Umgebung u.a. bei Sigmarszell oder bei Bludenz.
Diese Burgen oder Berge kann man als Namensgrundlage nicht auszuschließen, schließlich ist in unserem Wappen im Schild ein "Wilder Mann" und als Helmzier ein Burg abgebildet. Das Wappen ist jedoch erst im 16. Jahrhundert entstanden und zeigt meiner Meinung nach eine Deutung unseres Namens aus dieser Zeit ohne historische Belege. Ich halte diese Namensdeutung jedoch nicht für sehr wahrscheinlich.
Bedeutender für unsere Herkunft halte ich die frühen Nennungen von "Wilburger" ohne Adelstitel im südwestdeutschen Raum. Das sind 1320 Albrecht Wilburger in Reutlingen, 1350 Heintz Wilburg in Leonberg und 1364 Mechthildis Wilburger in Rottweil. Ihnen gemeinsam ist das städtische Umfeld ihrer urkundlichen Erwähnung. Somit ergibt sich eine weitere Deutungsmöglichkeit für unseren zweiten Namensteil -burger; mit Wilburger kann auch ein Bürger der Stadt Wil bezeichnet werden. Das heutige Weil der Stadt hat ursprünglich Wila oder Wile geheißen und erhielt im 13. Jahrhundert das Stadtrecht. Ich habe bislang keine Angaben gefunden, wann aus „Wile“ „Weil“ wurde, aber im Jahr 1400 wird in einer Urkunde noch von der „Stadt zu Wile“ geschrieben. Alle drei oben genannten Nennungen liegen im Umfeld (maximal 85 km) von Weil der Stadt. Eine Herkunft aus dieser Stadt ist für die drei oben genannten Personen also durchaus wahrscheinlich.
Mit dem Namen Wila, der im schwäbischen dann zu Weiler wird, sind wir von der Wortherkunft nun beim lateinischen gelandet. Wila leitet sich vom lateinischen Villa ab; hiermit ist im Gegensatz zu einem Stadthaus ein Haus auf dem Land gemeint. In den Germanischen Provinzen Roms bezeichnete Villa nicht ein einzelnes Gebäude, sondern ein ganze Hofanlage. Aus einer einzelnen Hofanlage entwickelten sich schließlich ganze Dörfer: die Weiler. Bereits bei dem oben genannten Wilburgstetten ist nicht die "Wilde-Burg" sondern die Burg im Weiler namensgebend.
Diese drei oberen Nennungen mit Personen unseres Namens, lassen sich (zumindest bisher) nicht mit unserer Sippe verbinden, anders sieht es mit den zwei Nennungen aus dem Bregenzerwald aus. Im Bregenzerwald haben wir ab dem 15. Jahrhundert durchgehend bis zur heutigen Zeit Wilburger nachgewiesen, auch wenn die Verwandtschaftsverhältnisse untereinander im 15. Jahrhundert nicht geklärt sind, ist von einer Verwandtschaft auszugehen.
Die älteste Urkunde von 1366 ist nur noch in einer Abschrift von 1692 erhalten. Hier heißt es: „wür Burckhardt von Gottes Verhengnus Abbte und des Convent gemmainklich deß Gottshaus zu Bregenz in der Au“..verkaufen zu rechten Erb den Hof auf dem Vall zu Andelsbuch, der an den Hof von Andelbuch anstößt an die Brüder Hans, Berchtold und Hainrich und all ihre Erben.....; Zeugen: Herr Hans Leutpriester zu Ellenbogen, Hans Leutpriester auf dem Schwarzenberg, Herman Rem Amann in demsaelben Teil, Heinrich Rem, Hans von Kohlgrub, Hans der Meßmer, Hans der Willburger, Hans der Valler (Hof auf dem Vall)
Diese Urkunde ist gerade auch für die Namensentwicklung interessant. Es zeigt sich die geringe Anzahl an Rufnamen; der Name Hans kommt siebenmal vor. Die Käufer selber haben nur Rufnamen; die Priester haben als Beinamen den Ort ihrer Pfarrkirche; Hans der Mesner ist als Berufsname zu sehen; Hans von Kohlgrub und Hans der Faller sind schließlich Herkunftsnamen. Herman Rem gehört als Amann der öffentlichen Verwaltung an und dürfte wohl aus dem städtischen oder höfischen Bereich stammen; hier haben sich die Familiennamen bereits durchgesetzt; Heinrich Rem ist wohl ein Verwandter desselben.
"Hans der Wilburger" tritt 1397, 33 Jahre später, noch einmal archivalisch in Erscheinung. Es geht in der Urkunde um einen Streit zwischen dem Kirchherrn von Au (heute Bezau), Hans vom Stadel, mit "Hanns der Alt Wilburger" wegen der Fischereirechte im Bach zu Bezau. Auf diese frühen Urkunden des Bregenzerwaldes bin ich in einem früheren Vortag und beim Sippenausflug nach Bezau bereits eingegangen; die Bregenzerwälder Wilburger-Urkunden des 14. und 15. Jahrhunderts zu erläutern, würde hier zu weit führen.
Was bedeutet nun "Hans der Wilburger". In der Urkunde von 1366 beziehen sich die meisten Beinamen auf Herkunftsorte. Im Bregenzerwald ist keine einzige Burgstelle bekannt. Eine solche ist auch nicht notwendig, da der Zugang zum Tal militärisch durch die Stadt Bregenz geschützt ist. Auffallend ist die Schreibweise mit einem "l", die in den Urkunden des 15. Jahrhunderts gebräuchlich ist und sich in Bregenzerwald in Lingenau/Hittisau bis heute gehalten hat. Die Schreibweise mit einem "l" ergibt eine Aussprache mit einem gedehnten, langen "i". In dieser Zeit richtete sich die Schreibweise vor allem nach dem Gehör; man darf die Schreibweise mit einem "l" in der Herkunftsdeutung nicht vernachlässigen, zumal sie sich lange gehalten hat. Diese Schreibweise zeigt eine Verbindung zu Wil/Weiler an und weniger zu Wild/Wildburg.
Weil der Stadt als Herkunft ist relativ weit entfernt (250 km), deutlich näher liegt die Schweizer Stadt Wil im Kanton Sankt Gallen. Hier sind auch intensivere Beziehung zum Bregenzerwald vorhanden.
Wil wird erstmals 745 als alemannische Siedlung "villa qui dicitur Wila" erwähnt. Die Siedlung erlangt um 1200 das Stadtrecht und kommt 1226 in den Besitz des Klosters St. Gallen. Das Kloster hat auch im Bregenzerwald Besitztümer und Rechte, wenn auch die Abtei Mehrerau hier mehr Grundbesitz hat. Von daher wäre es nicht ungewöhnlich, wenn ein Bürger der Stadt Wil sich im Bregenzerwald ansiedelt. Diese Namensdeutung ist für mich die nächstliegendste, wobei andere Deutungen nicht ausgeschlossen sind.
Benno Willburger, Dietmannsried
Die umstrittene, gedruckte Familiengeschichte der „Willburger von Wilburg“ von Gerd Schreyer führt die Sippengeschichte der Familie Willbur-ger bis ins Jahr 1171 zurück auf die aus Thüringen stammenden „Wilden Leute“ und nennt mit Heinrich von Wildenmann einen ersten Vertreter der Sippe namentlich. Dieser ist 1220 erstmals urkundlich nachzuweisen.
Wir danken unseren bisherigen Sippenforschern Gerd Schreyer, dem Ehepaar August und Antonie Willburger (den Eltern von Benno Willburger), sowie Prof. Graul und Otto Willburger von Niederolm.